PAULA ELLERT


25. August 2020

 

Nach einem Studium in den Fächern Innenarchitektur und Produktdesign wagte die Düsseldorferin Paula Ellert (34) als einzige Absolventin ihres Jahrgangs den Sprung in die Selbständigkeit – mit großem Erfolg. Heute entstehen in ihrem verwinkelten Atelier in der Düsseldorfer Carlstadt die oft geradlinigen und minimalistischen Entwürfe der Möbel- und Produktdesignerin. Wir sprachen über Düsseldorf als Design-Standort, Frauen in der Designbranche und die Wichtigkeit, seinen eigenen Weg zu gehen.


Was wolltest du als Kind werden?

Ich hatte eigentlich immer zwei verschiedene Vorstellungen davon, was ich machen möchte. Die eine bezog sich auf etwas im kreativen Bereich in Richtung Malerei, Innenarchitektur oder Architektur und die zweite war es, Journalistin zu werden. Zur finalen Entscheidung gibt es eine lustige Geschichte und zwar habe ich damals mein Praktikum bei Architektur und Wohnen im Jahreszeitenverlag in Hamburg gemacht. Dort habe ich drei Monate lang die Redaktion unterstützt mit dem Ergebnis, dass ich am Ende des Praktikums nicht mehr Journalistin, sondern Architektin werden wollte. Und dann habe ich mich tatsächlich für ein Studium der Innenarchitektur entschieden.

Das heißt das Praktikum war eine sehr prägende Erfahrung?

Definitiv! Danach war mir auf einmal sonnenklar, was ich machen möchte.

Durch deine Eltern, die als Künstler tätig sind, bist du ja bereits mit viel kreativem und künstlerischen Einfluss groß geworden. Hat dich das, zusätzlich zum erwähnten Praktikum, ebenfalls dazu bewegt in diese Richtung zu gehen?
 
Es hat mich zwar nicht aktiv beeinflusst, denn meine Eltern hätten mich unterstützt, egal was ich mir aussuche. Aber wir werden ja alle unterbewusst geprägt. Und wenn man, wie ich, in einem Künstlerhaushalt aufwächst und von Kindesalter an viel mit Kunst und Design zu tun hat, die ganzen Ausstellungen miterlebt und als kleines Kind schon mit ins Centre Pompidou nach Paris fährt, dann hat das sicherlich einen großen Einfluss auf die Berufswahl. Dass ich ganz konkret in Richtung Produktdesign gehen möchte, habe ich allerdings erst viel später, im Innenarchitektur-Studium, festgestellt. Dort hat mich die Idee gepackt, ein Produkt oder ein Möbelstück von der Skizze bis hin zur finalen Fertigung zu begleiten.
 
War Produktdesign rückblickend die richtige Entscheidung?

Definitiv! Ich bin super glücklich mit dem, was ich mache. Es ist ganz einfach das, was ich am besten kann und was mir gleichzeitig am meisten Spaß macht. Beim Design eines Möbelstücks geht es ja nicht nur um das Große und Ganze, sondern vor allem um die Feinheiten. Und ich bin jemand, der sich unendlich für Materialien, Formen, Verbindungen und Details begeistern kann.  Alles Dinge, die beim Produktdesign entscheidend sind. Darüber hinaus habe ich immer wahnsinnig viele Ideen für neue Produkte, die ich in meine Arbeit einbringen kann. Ich schreibe allerdings auch gerne und blogge ein wenig nebenher. Diese Tätigkeiten werden aber, glaube ich zumindest, immer ein Nebenher bleiben.

Was ist das Schönste an deinem Beruf?

Dass ich mich immer neu erfinden muss. Ich weiß einfach nie, was kommt! Das begeistert mich sehr, denn ich brauche das Unbekannte irgendwie. Außerdem habe ich keine Einschränkungen und bin total frei das umzusetzen, was ich möchte. Mal mache ich einen Exkurs in Richtung Kunst und Mal gehe ich in eine ganz andere Richtung. Das finde ich immer wieder spannend.

Ein hohes Maß an Freiheit bedeutet natürlich auch immer an hohes Maß an Verantwortung.
 
Mit der Verantwortung habe ich eigentlich kein Problem. Mir machen eher Themen wie Marketing, Finanzen und planerische Dinge zu schaffen. Da bin ich nicht sonderlich fit und erfülle wahrscheinlich das klassische Bild, das man von Kreativen hat. Man denkt ja oft „die machen super viel, sind umtriebig und haben viele Ideen und Projekte.“ Das stimmt auch. Aber irgend etwas muss ja bei dem Ganzen zu kurz kommen und das sind bei mir tatsächlich diese Themen.
 
Das heißt der klassische Unternehmerpart bleibt ein wenig auf der Strecke?
 
Ganz genau. Eigentlich müsste ich mir jemand externes holen, der mich in diesen Dingen berät.

Lass und über Inspiration sprechen, ein großes Thema in kreativen Berufen. Woher nimmst du die Inspiration für deine Ideen und Entwürfe?
 
Die finde ich im Grunde überall. Architektur, Kunst, Mode, Musik und die Natur sind zum Beispiel wichtige Quellen. Da gibt es wirklich überhaupt keine Grenzen.
 
Hast du ein Vorbild?

Das wurde ich oft als Studentin gefragt. Und ja, ich habe eines: Eileen Gray, die große Designerin der Moderne, die sich gegen die Männer durchgesetzt hat und sogar teilweise besser war. Dadurch ist sie zur Ikone geworden und ich bewundere sie bis heute sehr. Man findet schließlich nicht so wahnsinnig viele Frauen in meiner Branche …

Das stimmt, denn du bist ja in einem männerdominierten Umfeld unterwegs. Was meinst du, warum das bis heute so ist?

Im Design ist es leider so, dass sich viele Frauen bis heute nicht in den Bereich Möbel- und Industriedesign hineintrauen. Textil-, Schmuck-, und Modedesign werden hingegen sehr gerne von Frauen belegt. Ich finde diese Bereiche auch super interessant, aber mich haben schon immer Möbel mehr interessiert. Das erklärt auch, warum ich fast ausschließlich männliche Kollegen habe, was für mich allerdings kein Problem darstellt. Wir kommen gut miteinander aus und unterstützen uns gegenseitig. Trotzdem wäre es schön, ein paar mehr Frauen im Produktdesign zu sehen. Aber ich habe das Gefühl, dass immer mehr Frauen nachrücken. Und ich erlebe zunehmend, dass meine Studentinnen sich auch an männlich assoziierte Materialien wie Beton und Stahl herantrauen. Andersherum machen die Jungs auch immer mehr im Bereich Textil. Es ist also von den Bereichen her insgesamt viel freier geworden und diese Entwicklung befürworte ich sehr.

Was sind aus deiner Sicht die Zutaten für ein richtig gelungenes Design?
 
Für mich ist Design immer die Lösung eines Problems. Ein Entwurf ist meiner Meinung nach dann gut, wenn er seine Funktion erfüllt, simpel und gleichzeitig geradlinig ist. Ich bin ein Fan von möglichst wenig Materialien und Verbindungen, ich mag es also minimalistisch und superfunktional. Was das Material angelangt, gefällt mir sowohl Natürliches wie Holz und Stahl, aber auch Effektmaterialien wie Plexiglas. Wenn das gewählte Material das Design des Entwurfs unterstreicht und der Gesamteindruck ästhetisch ist, das heißt die Schweißnähte unsichtbar sind und Scharniere gut versteckt wurden, finde ich einen Entwurf gelungen.
 
3D-Druck ist ja groß im Kommen, auch in der Möbelindustrie. Glaubst du, dass die Leute sich bald eine Lampe selbst ausdrucken werden, oder ist das noch Zukunftsmusik?

Ich finde das Thema wirklich super interessant! Persönlich habe bisher nur einmal etwas mit dem 3D-Drucker gedruckt: einen Kamm. Aber das ist schon einige Jahre her und damals steckte das Verfahren noch in den Kinderschuhen, was auch erklärt, weshalb der Kamm ein recht wackeliges Teil war. Heutzutage ist die Qualität deutlich besser und meine Studenten an der Uni machen schon sehr viel in 3D-Technik. Momentan ist ein 3D-Drucker ja eine kostspielige Anschaffung, aber das wird sich mit Sicherheit bald ändern. Ich gehe davon aus, dass es in ein paar Jahren gängig sein wird, Entwürfe damit zu erstellen.

Gibt es sonst noch Designtrends, die du spannend findest?

Ökologische Materialien wie Valchromat, eine umweltfreundliche Weiterentwicklung von MDF, werden immer beliebter und ich arbeite schon seit Jahren mit ihnen. Auch Bambus finde ich toll. Insgesamt hat sich im „grünen“ Bereich in den letzten Jahren viel getan, aber auf jeden Trend aufspringen würde ich persönlich nicht. Insgesamt lasse ich mich aber gern davon überraschen, was demnächst noch kommt und probiere gern neue Materialien und Techniken aus.

Du sagtest gerade, dass du nicht auf jeden Trend aufspringen möchtest. Findest du demnach, dass es wichtig ist, als Designer eine klare Linie und einen wiedererkennbaren Stil beizubehalten?

Eine Linie zu haben ist deshalb wichtig, weil man so einen gewissen Wiedererkennungswert erhält. Ich experimentiere zwar sehr gerne, aber versuche dabei innerhalb des „Paula-Ellert-Rahmens“ zu bleiben. Selbst wenn ich mir vornehme etwas total Verrücktes zu machen, bekomme ich oft von Freunden oder Kunden gesagt, es sei wieder ein für mich typischer Entwurf. Meine Leuchtenserie letztes Jahr war zum Beispiel ein großes Experiment, weil ich bis dato noch nie etwas mit Technik gemacht hatte. Aber selbst da haben viele gesagt, es sei ein großer Wiedererkennungswert dagewesen. Das ist wahrscheinlich auch gut so.

Apropos Experimentieren: Dieses Jahr war ja bisher durch die Corona-Krise ein großes Experiment für uns alle. Was hast du aus dieser verrückten Zeit für dich mitgenommen?

Ich bin schon ganz froh, wenn alles wieder halbwegs normal ist, denn es war eine große Herausforderung ohne Werkstätten auszukommen. Was ich andererseits sehr gut finde ist, dass sich vieles ins Digitale verlagert hat. Ich unterreichte ja im Bereich Design und wir haben zum Beispiel sämtliche Vorlesungen per Zoom abgehalten, was einwandfrei funktioniert hat. Zudem habe ich die Zeit für kleinere Projekte genutzt, wie eine Serie von Architekturskizzen, die ich mit einer befreundeten Designerin in Lima, Stella Achenbach, zusammen kreiert habe. Dazu habe ich kleine Erklärvideos erstellt, die ich auf Instagram geteilt habe.

Das heißt du hast das Beste aus dem Lockdown gemacht?

Ich denke das haben wir alle, jeder auf seine Art. Ich habe unglaublich viel kreatives Schaffen beobachtet, was ich wirklich toll finde. Die meisten Menschen haben sich nicht hängen lassen, so zumindest mein Gefühl.

Hast du einen guten Tipp, um weiterhin gut durch diese besondere Zeit zu kommen?

Mich persönlich hat die Kreativität ein Stück weit gerettet. Auch Musik und gute Bücher oder die tollen Online-Führungen in diversen Museen waren eine gute Beschäftigung. Wer viele Interessen hat, kann sich immer gut beschäftigen, denke ich. Das Rezept lautet also „am Ball bleiben.“

Du bist ja waschechte Düsseldorferin. Womit assoziierst du die Stadt?

Da Düsseldorf meine Heimatstadt ist, reibe ich mich wahrscheinlich ein wenig mehr an ihr, als Zugezogene es tun. Zunächst einmal finde ich die Stadt aber sehr schön, sehr grün, sehr aufgeräumt. Manchmal fehlt mir allerdings das Großstädtische. Andererseits ist Düsseldorf aufgrund seiner überschaubaren Größe sehr gemütlich, die Netzwerke sind eng gestrickt und man kennt sich in der Szene. Auch wenn ich sehr gerne in der Altstadt oder Carlstadt unterwegs bin, entdecke ich tatsächlich auch immer wieder Neues. Insgesamt finde ich, dass Düsseldorf sehr viel zu bieten hat für eine Stadt von dieser Größe.
 
Was ist dein Lieblingsort?

Da sich mein Atelier hier in der Carlstadt befindet, bin ich oft am Carlsplatz, den ich sehr liebe. Dort gehe ich täglich hin, ob zum Kaffeetrinken, Mittagessen, Einkaufen oder abends auf ein Altbier bei Dauser. Mein Lieblingsplatz zum Entspannen ist der Garten vom Stadtmuseum, in welchem wir auch schon einmal zusammen saßen. Dieser Ort ist wirklich ein Kleinod mitten in der Altstadt. Und da er relativ unbekannt ist, hat man dort meist seine Ruhe, wenn einem die Rheinpromenade zu überlaufen ist.

Wie würdest du Düsseldorf als Design-Standort im Vergleich zu anderen deutschen Städten einordnen?
 
Düsseldorf wird zwar nach außen hin als kreative Stadt wahrgenommen, aber ich persönlich finde, dass sich das sehr stark auf die Bereiche Musik, bildende Künste und Mode beschränkt. Man kann zwar schon länger an der FH Innenarchitektur studieren. Aber dadurch, dass die Kunstakademie ausschließlich für die bildenden Künste da ist, ist der Bereich Innenarchitektur gefühlt nie so wirklich gefördert worden. Es gab außerdem früher einmal sehr bekannte und auschlaggebende Designevents in Düsseldorf, die jedoch leider stark abgenommen haben. Woran das konkret liegt, kann ich nicht sagen. Das Designerkollektiv Teilmöbliert, in welchem ich selber Mitglied bin, hat in den letzten Jahren versucht Düsseldorf wieder ein wenig zum Design-Standort neu zum Leben zu erwecken. Zum Beispiel haben wir Ausstellungen zusammen mit der Wirtschaftsförderung veranstaltet, die sehr gut angenommen wurden.

Wenn Zeit und Geld keine Rolle spielten, was würdest du dann sofort tun?

Schwer zu sagen. Ich habe bisher noch nie ein Projekt oder ein Vorhaben auf später verschoben, weil Geld oder Zeit eine Rolle gespielt hätten.

Deine drei wichtigsten Ratschläge an dein 10 Jahre jüngeres Ich?

Ich würde meinem jüngeren Ich sagen: „Folge deinen Interessen und deinem Herzen und lasse dich niemals von anderen Leuten oder irgendwelchen Umständen davon abbringen, das zu tun, was du tun möchtest. Wenn jemand nicht an dich glaubt, dann glaube an dich selbst. Es wird sich schon alles fügen, also mache dir keine Sorgen. Genieße die Uni, kleine Paula. Hinterher wird nämlich alles schwieriger.“ Oft realisiert man erst rückblickend, was die Studienzeit für eine unbeschwerte Zeit war. Ich habe besonders das Studium an der Kunsthochschule in Kassel so sehr genossen. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich noch viel mehr Zeit dort verbringen, viel mehr die verschiedenen Impressionen aufsaugen und die Zeit noch viel bewusster genießen. 

Es war also eine unbeschwerte Zeit?

Total. Aber ich muss sagen, dass ich mich über die Umstände heute auch wirklich nicht beschweren kann. Es gibt eben eine Zeit für alles …

Hast du ein Credo oder Lebensmotto?

Als deutscher Designer ist man glaube ich durch „Form Follows Function“ extrem geprägt. Das ist auch bei mir so, ergo ist das wahrscheinlich am ehesten das Credo für meine Arbeit. Für mein Privatleben habe ich kein Motto oder Credo, da lasse ich einfach alles auf mich zukommen und schaue dann weiter, wie ich damit umgehe.

Fotos: Paula Ellert
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Paula Ellert